Liebe politische Weggefährtinnen und Weggefährten,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Grünen NRW haben bei der Landtagswahl am 15. Mai 2022 ein historisch einmaliges Wahlergebnis erzielt: 18,2 Prozent! Soviel Grün war nie in Nordrhein-Westfalen! Das ist grandios. Ich freue mich riesig über diese beeindruckende Zustimmung, gratuliere allen, die zu diesem enormen Erfolg beigetragen haben, und wünsche unseren Verhandlerinnen und Verhandlern alles Gute, damit auf diesem Fundament nun ein starkes Drehbuch für eine Regierung geschrieben wird, deren Ziel die sozial-ökologische Transformation unseres Bundeslandes sein muss.
Ich selbst werde dem neuen Landtag nicht angehören. Das schreibe ich mit etwas Wehmut, aber auch großer Dankbarkeit und Vorfreude auf das, was jetzt noch kommt. Wehmütig deshalb, weil ich seit 1995 (mit einer Unterbrechung von 2012 bis 2017) dem Landtag Nordrhein-Westfalens angehörte. Das sind 27 Jahre in der Landespolitik – im Leben eines Menschen zweifelsohne eine lange Zeit. Damit geht für mich ein Lebensabschnitt zu dem Zeitpunkt zu Ende, wo die Gestaltungsmacht der Grünen in NRW enorm gewachsen ist. Dankbar bin ich meiner Partei und der Fraktion, dass ich in all den Jahren meine politische Leidenschaft mit meinem Beruf verknüpfen konnte.
In dieser Düsseldorfer Zeit durfte ich meiner Fraktion in unterschiedlichen Funktionen (als tourismus-, umwelt-, finanz-, verbraucherschutz-, europa- und städtebaupolitischer Sprecher sowie als parlamentarischer Geschäftsführer) dienen. Zudem durfte ich der Enquete-Kommission des Landtags „Zukunft der Mobilität“ und der Parlamentariergruppe NRW – China vorsitzen.
Der Landtag und vor allem die Grüne Fraktion waren über ein Vierteljahrhundert mein politisches Zuhause. Die Kolleginnen und Kollegen sowie die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Fraktion waren gleichsam meine politischen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Und wie in Wohngemeinschaften üblich, gibt es auch in der „WG Landtag“ alles, was das Leben zu bieten hat: Ernst und Heiterkeit, Streit und Versöhnung, abendlange Debatten, bis die Fetzen fliegen, und am Ende hoffentlich gute Lösungen nicht nur für die „WG“ und die, die darin leben, sondern für das ganze Haus, die ganze Stadt, das ganze Land.
In dieser Zeit bin ich unzähligen Menschen begegnet. Ich habe mit Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern in Unternehmen, Verbänden oder Bürgerinitiativen diskutiert. Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben mir ihre Anliegen und Sorgen anvertraut. Ich durfte in Schulen, Universitäten, Theatern, in politischen Gremien, den Fußgängerzonen unserer Städte und auf den Plätzen unserer Dörfer für unsere Wege zu einem nachhaltigen Leben und Arbeiten werben. Am meisten berührt haben mich die Zuschriften von Kindern, in denen sie mir Bilder von ihrem Traum einer guten Welt geschildert haben. Und nicht zuletzt: Die Medien, ohne die es um unser demokratisches Gemeinwesen schlecht bestellt wäre, haben meiner politischen Arbeit ihre kritisch-konstruktive Aufmerksamkeit gewidmet. All denen, denen ich begegnet bin, bin ich zu tiefem Dank verpflichtet, weil ich auch immer etwas mitgenommen habe. Sie alle waren nicht bloß Teil meiner Arbeit, sondern meines Lebens.
Der Höhepunkt meiner landespolitischen Laufbahn lag zweifellos in den Jahren 2010 bis 2017, in denen ich dem Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Landesminister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz angehörte. Mit der Ausübung dieses hohen Amtes war für mich die Möglichkeit verbunden, in einem selten gegönnten Ausmaß zu gestalten und gemeinsam erarbeitete politische Projekte umzusetzen. Wir haben in dieser Zeit viel gemeinsam erreicht, von dem – so hoffe ich – auch noch in der Zukunft gezehrt werden kann.
Als die Grünen 1990 in den Düsseldorfer Landtag einzogen, kam das einem politischen Erdbeben gleich. Eine Zeitenwende: politisch gewiss, denn seither stehen Umwelt-, Natur-, Verbraucher- und Klimaschutz auf der landespolitischen Agenda und sind von dort auch nicht wieder zu streichen – heute weniger denn je. Aber auch die „Performance“ änderte sich radikal, wofür das fast schon ikonografische Foto von der Unterzeichnung des ersten rot-grünen Koalitionsvertrags steht, bei der Barbara Steffens und Reiner Priggen nicht nur von den zukünftigen Koalitionärinnen und Koalitionären, sondern auch von ihren Kindern begleitet wurden – ein durchaus gewöhnungsbedürftiges Setting für den ebenfalls anwesenden damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau.
Die Sicherung und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, Artenvielfalt und vor allem der Klimaschutz verbunden mit einer umfassenden Transformation hin zu einer CO2-neutralen Welt sowie das friedliche Zusammenleben in Europa sind und bleiben meine politische Leidenschaft. Ein anderes Wort für gute Politik ist Zukunft. Zukunftsarbeit. Es war mir eine Ehre, so lange in Amt und Mandat daran mitgearbeitet haben zu können.
Meine politische Leidenschaft ist damit noch nicht erschöpft, sondern treibt mich täglich neu an. An welcher Stelle und in welcher Form auch immer: ihr könnt und müsst weiter mit mir rechnen. An dieser Stelle mache ich nun einen Punkt. Der grünen Landtagsfraktion, dem Landesverband und natürlich meinem Kreisverband bleibe ich selbstverständlich mit Kopf und Herz verbunden.
All denen, die jetzt und in Zukunft Verantwortung für die Geschicke unseres Landes und seiner Menschen tragen, wünsche ich zum Abschied Klarheit, Entschiedenheit, einen langen Atem, viel Erfolg und Gottes Segen.
Ihr und Euer
Johannes Remmel
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