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Insektenschutz jetzt! – Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt entlang der Straßen in Nordrhein-Westfalen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage

Der Artenschwund nimmt weltweit immer dramatischere Züge an. Jüngste Zahlen aus dem Living Planet Report 2020 des World Wide Fund For Nature (WWF) zeigen einen durchschnittlichen Rückgang der Lebewesen um 68 Prozent zwischen 1970 und 2016.1 Ganz besonders vom Artensterben betroffen sind Insekten. Diese Probleme machen auch vor Deutschland und Nordrhein-Westfalen nicht Halt – im Gegenteil. Der Naturschutzbund (NABU) NRW warnt schon seit Jahren auch regional vor einer dramatischen Verringerung der Artenvielfalt im Allgemeinen und der Insektenvielfalt im Speziellen. Einige Zahlen belegen beispielhaft die Dramatik des Rückgangs der Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen. Hier gelten mittlerweile 45 Prozent aller Arten als gefährdet,2 es sind bereits 45 in Nordrhein-Westfalen heimische Wildbienenarten ausgestorben,3 nur noch etwa 20 Prozent der Tagfalterarten in Nordrhein-Westfalen gelten als ungefährdet.4

Die Volksinitiative Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass sich mittlerweile ein breiter gesellschaftlicher Konsens gebildet hat, dass der Schutz der Artenvielfalt ganz oben auf die Agenda gehört. Mittlerweile steht fest, dass sich der Landtag mit den Forderungen wird beschäftigen müssen, da die Mindestanzahl von Unterschriften bereits erreicht ist. Aus eigenem Antrieb wird die Landesregierung hingegen nicht aktiv für den Artenschutz. Während auf Bundesebene beispielsweise mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz samt zugehöriger Gesetzesänderung oder in anderen Bundesländern mit eigenen Landesprogrammen die Ziele des Artenschutzes auch mit politischen Instrumenten verfolgt werden, passiert in Nordrhein-Westfalen hingegen bislang viel zu wenig. Dabei ist es enorm wichtig, jetzt zu handeln und Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt so schnell wie möglich konsequent umzusetzen, um noch eine Chance gegen den dramatischen Rückgang der Biodiversität zu haben.

II. Das ökologische Potential von Straßengrün nutzen, um den Artenschwund zu begrenzen

In anderen Bundesländern, wie Baden-Württemberg und Bayern, hat man bereits erkannt, dass auch vermeintlich kleine Flächen zusammengenommen einen großen Beitrag zur Steigerung der biologischen Vielfalt leisten können. Konkret rückt hier das Straßengrün in den Blick. Grünstreifen entlang von Bundes- und Landstraßen, ebenso wie Kreisverkehre können mit einfachen und vergleichsweise kostengünstigen Mitteln zu Orten werden, an denen sich eine große Zahl von Tier- und Pflanzenarten ansiedelt. So trägt etwa die Einsaat heimischer Blühmischungen zur Bewahrung der Insektenvielfalt bei. Auch durch Aushagerung entstehen auf intensiv genutzten Grünflächen mit der Zeit wieder viel mehr blühende Pflanzen. Gezielt gepflegte Gras- und Gehölzflächen können außerdem kleinen Nagetieren oder Vögeln neue Rückzugs-, Brut und Nistplätze bieten. Die ökologische Aufwertung des Straßengrüns gefährdet seine verkehrstechnischen und baulichen Funktionen dabei im Übrigen nicht. Wenn die Flächen entlang von bestehenden Verkehrswegenetzen konsequent so bewirtschaftet werden, dass sie die Artenvielfalt fördern, können dadurch große Biotopverbunde entstehen.

Möglichkeiten, wie dies gelingen kann, lassen sich in Baden-Württemberg und in Bayern bereits finden. Ein Modellprojekt des baden-württembergischen Verkehrsministeriums zeigt, dass die Erhöhung der biologischen Vielfalt durch die gezielte Pflege des Straßengrüns sehr effektiv ist und zudem mittel- bis langfristig mit einer Absenkung des Pflegeaufwands und damit auch der Kosten einhergeht. Dort wurde ein Sonderprogramm aufgelegt, durch welches Stadt- und Landkreise Fördermittel für die Aushagerung von straßenbegleitenden Flächen beantragen können. Während in Baden-Württemberg die Kommunen aufgerufen sind, wird in Bayern ein anderer Ansatz verfolgt, bei dem sich die Staatsregierung selbst verpflichtet, die Artenvielfalt entlang der von ihr betriebenen Straßen zu erhöhen. Nach einem erfolgreichen Volksbegehren Artenvielfalt wurde die Schaffung von Vernetzungskorridoren unter anderem entlang von Verkehrswegen in das Bayrische Naturschutzgesetz aufgenommen sowie die Verpflichtung, Straßenbegleitflächen entlang von Staatsstraßen mit dem Ziel der Förderung der Artenvielfalt, der Luftreinhaltung und des Biotopverbunds zu bewirtschaften, im Bayrischen Straßen- und Wegegesetz festgehalten. So investiert das Bayrische Verkehrsministerium in der ersten Planungsphase bereits 1,2 Millionen Euro in den Erhalt der Artenvielfalt an den Staatsstraßen.

Auch für Nordrhein-Westfalen bietet die gezielte Pflege des Straßengrüns eine vergleichsweise einfache und effektive Möglichkeit, den Schwund der Biodiversität im Allgemeinen und der Insekten im Speziellen abzumildern. Straßen.NRW hebt auf seiner Webseite selbst die ökologische Funktion des Straßengrüns hervor. Hier muss angeknüpft werden und ein Programm zur gezielten Erhöhung der Artenvielfalt im Straßengrün auf den Weg gebracht werden.

III. Der Landtag stellt fest:

  1. Der Schwund der Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen ist auf dramatisch hohem Niveau und der Erhalt der Artenvielfalt muss eine politische Priorität sein.
  2. Straßengrün kann mithilfe der richtigen Pflege einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen leisten.

IV. Der Landtag beauftragt die Landesregierung:

  1. Ein Sonderprogramm ins Leben zu rufen, das zum Ziel hat, die biologische Vielfalt im Straßengrün entlang von Kreis-, Bundes- und Landesstraßen deutlich zu steigern und für Planung und Umsetzung der Maßnahmen mindestens 3 Millionen Euro über 3 Jahre bereitzustellen.
  2. Von diesen 3 Millionen Euro einen Teil den Kommunen über einen Förderaufruf zur Verfügung zu stellen und einen Teil für die von Straßen.NRW betreuten Straßen zu verwenden.
  3. Im Rahmen dieses Sonderprogramms (beispielsweise mithilfe digitaler Kartierung) spezifische Pflegepläne für die betreffenden Flächen zu entwickeln.
  4. Ein Teil der Gelder zu nutzen, um anstelle des derzeit üblichen Mulchverfahrens gezielt durch die Abfuhr des Mahdguts Flächen entlang der Landesstraßen auszuhagern.
  5. Im Rahmen des Sonderprogramms insektenfreundliche Mähsysteme durch Straßen.NRW zu erproben und zu etablieren.
  6. Mithilfe der Erfahrungen, die in dieser Zeit durch das Sonderprogramm gesammelt werden, Pflege-Grundsätze als Standard zu etablieren, nach denen die Artenvielfalt durch die gezielte Pflege des Straßengrüns dauerhaft gefördert wird und daraus einen Leitfaden zu erstellen, der ebenfalls den Kommunen zur Verfügung gestellt wird
  7. Innerhalb der drei Jahre Erfahrungen zu sammeln, welche Anforderungen mögliche Gesetzesänderungen in Nordrhein-Westfalen erfüllen müssen, um zur Förderung der Artenvielfalt im Straßengrün beizutragen und diese anschließend umzusetzen.

1 Living Planet Report 2020 – WWF Deutschland

2 „Insekten retten, Artenschwund stoppen“ – NRW-Naturschutzverbände starten Volksinitiative Artenvielfalt (bund.net)

3 Dramatisches Bienensterben trifft auch NRW – nw.de

4 Die Tagfalterarten in Nordrhein-Westfalen – NABU NRW

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