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Sozial gerechter Klimaschutz durch CO2-Bepreisung und Bürgergeld

Sommer 2018: Der Klimawandel ist an der Zapfsäule angekommen

Spätestens seit dem Jahrhundertsommer 2018 dürfte jedem und jeder klar sein: Die globale Klimakrise eskaliert. Sie erfasst auch die Regionen unserer Erde, die sich bisher einigermaßen sicher fühlten, Mitteleuropa etwa, die Bundesrepublik und das Hochindustrieland NRW. Jahrhundertstürme, Jahrhundertdürren, Jahrhundertüberschwemmungen – das spielte sich nach Wahrnehmung allzu vieler in Asien, Afrika und den USA ab. Bei uns jedoch wertete man Starkregenereignisse oder Stürme wie Kyrill oder Ela im Grunde als Schlechtwetterspitzen, die zwar ärgerlich und teuer seien, aber keineswegs großen Anlass zu klimapolitischem Alarmismus geben müssten. Anderslautende Stimmen wurden als Ausdruck typischer „German Angst“ abgetan, verbunden mit dem Menetekel der De-Industrialisierung, De-Automobilisierung oder gefährlicher Durchgrünung unserer Gesellschaft, vor der Industrie und Wirtschaft im Verbund mit den tragenden politischen Kräften des überkommenen Energieregimes lautstark warnten und über weite Strecken immer noch warnen. Zum Kampf um Strom und gesellte sich der Kampf um den Verbrennungsmotor sowie die Verteidigung konventioneller Land- und Ernährungswirtschaft. Dies alles wird gerahmt von einer ebenso verbissenen wie ignoranten Verteidigung einer ökologisch blinden Lebens- und Wirtschaftsweise, deren Kritik als Spaßverderberei verächtlich gemacht wurde, die aus den Kellern verdrießlicher Öko-Fundamentalisten und grüner Nervensägen in die reich bestückten Wohnzimmer unserer Wohlstands- und Konsumgesellschaft vordringen und die herrschende Gemütlichkeit stören will.

Die organisierte Ignoranz ist seit langer Zeit mehr oder weniger erfolgreich – eben bis zu jenem Jahrhundertsommer 2018, als auch bei uns in Deutschland der Sprit teurer wurde, weil die Transportschiffe, die das Öl aus den großen Seehäfen der Nordseeküste aufgrund des niedrigen Pegelstandes den Rhein nur noch halb beladen passieren konnten. Damit ist Klimawandel auch an einem Schmerzpunkt der bundesdeutschen Mobilität angekommen: den Zapfsäulen dieser Republik. Wenig lustig war auch das Trockenlaufen der Talsperren, die ausgerechnet die Mutter aller Lebensmittel, das Wasser, zu einem gefährdeten Gut machten. In Deutschland Angst vor Wasserknappheit – das ist neu. Beim Sprit und beim Wasser verstehen wir keinen Spaß, und auch beim Wald nicht: ausgedörrte Wälder, von Bränden und Schädlingen bedroht, das ging und geht uns ans Gemüt. Denn Deutschland ist Waldland, und seine Bedrohung ist eine Gefahr nicht nur für das Ökosystem, sondern für unser Selbstverständnis schlechthin.

Es hilft kein Lügen und kein Lästern: Der Klimawandel ist uns im Jahrhundertsommer `18 unter die Haut gefahren. Und auch, wenn wir weit davon entfernt sind, ihn unschädlich zu machen, so dürfte nunmehr jedem klar sein: Die Party auf Kosten der globalen Ökosysteme ist ein für allemal vorbei. Mittlerweile sieht ein Großteil auch der bundesdeutschen Bevölkerung die Bedrohung durch den globalen Klimawandel als eine, wenn nicht die zentrale Herausforderung an, an deren Lösung die Zukunft des Lebens der Menschheit in Sicherheit, Frieden, Freiheit und Wohlstand hängt. Kurz gesagt: Bei der Klimafrage geht es um Alles oder Nichts. Rien ne va plus.

Zwei Grad und Schluss – die Pariser Beschlüsse

Die Weltgemeinschaft hat sich 2015 ein Rettungsprogramm verschrieben: die Pariser Beschlüsse, verbindlich wie nie zuvor, insbesondere die Festlegung des 2-Grad-Ziels, wenn möglich des 1,5-Grad-Ziels als absolutes, nicht zu überschreitendes Maximum an Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Das ist der Maßstab, die Life-Line internationaler Klimapolitik, deren Missachtung sie zur Dead-Line macht für ein in Jahrmillionen gereiftes Ökosystem, das die Menschheit in wenigen Jahrzehnten aus dem Gleichgewicht gestoßen hat mit der Folge, dass zwar nicht der Fortbestand der Natur, wohl aber die Zukunft einer Art – des homo sapiens sapiens – in akute Gefahr geraten ist.

Fridays for Future: Menschenrecht auf Zukunft

Als wäre das Krisenszenario nicht an sich schon dramatisch und komplex genug, wird das ganze Desaster erst dann klar, wenn man den Zeitfaktor hinzunimmt: Die Zeit zur Bewältigung der globalen Klimakrise läuft unweigerlich ab. Es ist nicht 5 vor 12, nicht 3 vor 12, sondern vielleicht eine Minute vor Zwölf. Manche sagen gar 5 nach 12 und wollen die Politik des Klimaschutzes auf die Klimaanpassung reduzieren. Das ist realpolitisch nachvollziehbar, trägt aber zu viel von Resignation in sich, um Hoffnung und Mut zu machen. Wie auch immer: Die Uhr tickt. Und niemand führt dem globalen öffentlichen Bewusstsein diese zeitdramatische Perspektive gegenwärtig eindringlicher vor Augen als die Jugendbewegung Fridays for Future. Angeführt von der couragierten, der Welt unerschrocken ins schläfrige Gewissen redenden Greta Thunberg macht die Jugend der Welt den Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft klar: „Der Klimawandel, den ihr zu verantworten habt, werden wir ausbaden. Ihr Heutigen missachtet unser Recht auf Leben, Glück und Wohlstand. Ihr missachtet unser Menschenrecht auf Zukunft! Das lassen wir uns nicht länger bieten. Wir stehen auf – für unsere Zukunft.“

Der Aufstand der Jugend ist ein Fanal. Er ist die größte denkbare Legitimationskrise herrschender Politik. Denn er spiegelt deren Versagen ausgerechnet in ihrem Kerngeschäft: der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft für alle, inklusive der kommenden Generationen. Angesichts dieses Versagens ist das Gejammer derer, die hier zur Verantwortung gezogen werden, grotesk: Während diejenigen sich zur Wehr setzen, die sich um ihr zukünftiges Leben bedroht sehen, versuchen diejenigen, die diese Bedrohung zu verantworten haben, sie mit dem Fingerzeig auf Stundenpläne ins Unrecht zu setzen. Das ist zu billig und allzu durchsichtig, als dass sich die Jugendlichen von Fridays for Future – diese Zukunftsexperten par excellence – dadurch einschüchtern oder gar zum Schweigen bringen ließen. Im Gegenteil: Die Jugend der Welt hält der real existierenden Politik unerbittlich den Spiegel vor. Sie ist der Tempomat eines globalen Klimaschutzes, der allein der Dramatik des Augenblicks gerecht wird.

Wenn demokratische Politik sich vor der Zukunft nicht sterblich blamieren, sondern ihr historisches Versagen angesichts der drohenden ökologischen Menschheitskatastrophe in letzter Minute abwenden will, so muss sie wirksam und schnell handeln.

CO-2-Abgabe: Treiber für den Klimaschutz

Diese Botschaft immerhin scheint angekommen zu sein, wenn auch unterschiedlich darauf reagiert wird: Während die einen Greta Thunberg umarmen wollen, bis sie keine Luft mehr bekommt, und andere aus dem rechtsrextremen Lager wie der „AfD“-Vorsitzende Gauland sie und ihre Bewegung als neuen „Kinderkreuzzug“ diffamieren, bildet sich langsam, aber sicher eine Koalition der Verantwortung heraus, die Fahrt aufnehmen und JETZT handeln will. Dazu ist derzeit der Fokus der Debatte auf einem Instrument, das schon lange auf der Agenda steht, das von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern empfohlen, in vielen Ländern wie Schweden, Großbritannien, der Schweiz bereits eingeführt wurde, in Kanada kurz vor der Einführung steht und nun auch in Deutschland eine wachsende Zahl von Befürworter*innen im politischen Raum findet. Bundesumweltministerin Svenja Schulze lässt derzeit einen Vorschlag dazu erarbeiten. Und die Union arbeitet sich ebenfalls derzeit daran ab – mit ungewissem Ausgang, aber immerhin: sie arbeitet!

Worum geht es? Es geht um die im Grunde alte Forderung, dass Preise die ökologische Wahrheit sagen müssen. Die Kohlekommission spricht von einer Energiesteuerreform und plädiert für eine CO-2-Steuer mit Lenkungswirkung. Da es sich aber nicht eigentlich um eine Steuer handelt, deren Ertrag dem allgemeinen öffentlichen Haushalt zufließt, bezeichnet der Begriff der CO-2-Bepreisung präziser, worum es sich handelt. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) spricht von Klimadividende oder Klimaprämie. Dabei handelt es sich um eine Abgabe, die den Preisanteil klimaschädlicher Treibhausgase für Unternehmen und Verbraucher abbildet, und zwar vorrangig im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor. So wird etwa die Nutzung des Verbrennungsmotors stärker bepreist als die des Elektroantriebs, Fliegen schlägt mehr zu Buche als Bahnfahren, fossile Energie wirft einen größeren Preisschatten als saubere, weniger Wärmedämmung kommt den Häuslebauer teurer als mehr davon und Technologien sind preislich umso besser gestellt, je klimafreundlicher sie ausgelegt sind. Die CO-2-Abgabe greift direkt und unverzüglich in Mobilität, Konsum, Produktion, Wirtschaft und industrielle Produktion ein und lenkt sie auf den Trimmpfad eines effektiven und schnellen Klimaschutzes. Auf eine einfache Formel gebracht: Klimaschutz ist billiger. Ein Beispiel: Bepreist man die Tonne CO2 mit 40 Euro, so würde sich der Sprit um 10 Cent pro Liter erhöhen. Das macht Spritfresser teurer, Spritsparer günstiger.

Sozial gerecht

Schön und gut, aber ist eine solche Bepreisung nicht sozial unausgewogen? Würden einkommensschwache Haushalte sowie Menschen in ländlichen Regionen nicht die Zeche zahlen und am Ende die Wohlhabenden weiterhin zum Shoppen nach New York fliegen, während die, die ohnehin am finanziellen Limit kratzen, die Gebeutelten seien. Und würden Klimaschutz und Energiewende so in der öffentlichen Wahrnehmung nicht um jeden Kredit gebracht?

Unsere Antwort: Die CO-2-Bepreisung ist dann – und nur dann – zu vermitteln, wenn sie sozial gerecht, also aufkommensneutral gestaltet ist. Dazu schlagen Die Grünen die Einführung eines Energiegeldes vor. Unser Vorbild ist die Schweiz: Dort werden jedem Bürger und jeder Bürgerin jährlich zwei Drittel der Einnahmen aus der Abgabe über die Krankenversicherung ausgezahlt. Das waren im Jahr 2018 88,80 Franken (umgerechnet 77,27 Euro pro Kopf). Bei einem Co-2-Preis von 60 Euro, beträgt das ausgezahlte Energiegeld 162 Euro pro Jahr pro Kopf, so der Klimaökonom Ottmar Edenhofer. Kurz: Wer bei CO-2 spart, verdient über ein Energiegeld am Klimaschutz.

Europaweit

Macht die CO-2-Bepreisung aber trotzdem nicht nur dann Sinn, wenn sie europaweit erhoben wird? Denn andernfalls bilden sich doch unweigerlich CO-2-Oasen, in die Unternehmen abwandern, um der Abgabe zu entkommen. Wem wäre damit gedient? Dem Klima nicht! Und auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland nicht, und unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch nicht, oder?

Ja, optimal wäre die europaweite Einführung. Die politische Union ist also gefordert, Schritte auf dem Weg zur Klimaunion zu gehen. Doch das Prinzip Alle oder keiner ist längst von der Geschichte überholt worden: Schweden hat die Abgabe bereits seit 1991, England fährt das Modell ebenfalls seit Jahren. Auch die Schweiz, Finnland, Slowenien u.a. haben sich für eine CO-2-Bepresiung entschieden. Die Frage ist also nicht: Gehen wir voran, sondern: Sind wir dabei? Die Allianz der Befürworter wächst. Es gibt also keinen Grund, am Spielfeldrand zu verharren. Gehen wir aufs Spielfeld – dann können wir das Spiel auch mitbestimmen.

Ein politisches Projekt for Future

Die Zeit drängt. Klimaschutz muss auf die Überholspur. Die CO-2-Bepreisung ist nicht der einzige, aber ein wichtiger Treiber auf dem Weg in das globale post-fossile Zeitalter.

Sie ist Politik for future – alles andere wäre verantwortungslos.

Hier geht’s zum Blogeintrag GRÜNE im Landtag NRW: http://gruene.fr/zh

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